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28.03.2020 Kategorie: Gemeindeleben

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Predigt zum Hebräerbrief 13; 12-14 Propst Martin Fiedler

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Internetgemeinde,

wie viele Spielfilme und Romane zeigen und erzählen wohl von einem immer wiederkehrenden Grundmotiv: die Heldin, der Held opfert sich im Kampf auf und lässt am Ende sein eigenes Leben, damit andere Menschen gerettet werden und weiterleben können? Ihnen werden sicherlich mehrere Werke einfallen und innerlich vor Augen stehen. Das kennen wir, das ist uns aus der Phantasiewelt nicht fremd.

Warum tun wir uns dann schwer, wenn genau dieses Motiv brutale Wirklichkeit wird? Viele mögen es nicht, wenn gesagt wird, dass Jesus Christus sich für uns Menschen „geopfert“ hat. Wollte ich das überhaupt? Was macht der und das eigentlich mit mir, der/die ich darauf nicht selber noch Einfluss nehmen kann? Hat Jesus mich vorher gefragt?

In der Tat brauchen wir - zumal als Evangelische - keine extra „Opfertheologie“. Das wäre zu viel des Schlimmen. Jesus Christus wird nicht bei jeder Feier des Abendmahls auf geheimnisvolle Weise auf’s Neue geopfert am Kreuz. Doch in der Tat hat er sich etwa im Jahre 30 dort bei Jerusalem auf der Schädelstätte „Golgatha“ hinrichten lassen ohne sich zu wehren. Das ist Fakt, bestätigt sogar von nichtchristlichen Geschichtsschreibern. Und im Sinne derer, die an ihn geglaubt haben als den Messias, den Christus, den ersehnten Heiland der Welt, hat er sich da tatsächlich „geopfert“.

Kein anderer Mensch konnte und kann die Liebe ganz und gar und wirklich bis zum allerletzten Ende leben. Kein Mensch konnte und kann somit tun, was unmittelbar und dauerhaft in Gottes Sinne ist. Wer ehrlich genug ist, das zuzugestehen, für den kann Jesu Tod am Kreuz tatsächlich zu einem Opfer werden. Ein einmaliges und für immer und ewig geltendes und gültiges „Opfer“. Niemand von uns muss das nachmachen und in den Tod gehen, damit wir uns vor Gott als würdig erweisen. Jesus hat das auch für uns gemacht und hat ausgehalten, was im Grunde nicht zu ertragen ist.

Damit es uns gilt und in uns wahr wird, reicht es, sich dazuzustellen und nicht wegzuschauen. Wir blicken auf den Gekreuzigten und entdecken in ihm den, der uns abgrundtief liebt. Ja, wir entdecken auch, dass unsere eigene Kraft zu lieben nicht ausreicht, um ganz mit Gott, der Schöpfung und uns selbst im Einklang zu sein. Genau deswegen ist Jesus dann ja für uns der „Christus“, der Gesalbte Gottes, der Heiland und Held! Weil wir selbst es nicht hinkriegen, er aber es vollbracht hat – mit allen seinen Zweifeln und Ängsten. Und weil von uns nichts weiter gefordert wird außer, uns zu ihm zu stellen und zu ihm zu bekennen, darum ist er unsere Rettung. Wir dürfen leben! Wir dürfen weiterleben mit dem liebenden Gott und mit unserem Unvermögen! Wir dürfen leben, sogar dann, wenn wir uns schuldig machen! Denn Jesus Christus hat uns den barmherzigen und gnädigen Gott offenbart, der selbst die Liebe ist und seine Liebe durch uns wirken lassen will.

Im Brief an die Hebräer am Ende des neuen Testaments heißt es als kurzer Predigttext für den Sonntag „Judika“ in Kapitel 13 Vers 12 bis 14: Darum hat auch Jesus, damit er das Volk heilige durch sein eigenes Blut, gelitten draußen vor dem Tor. So laßt uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.

Dem kundigen Leser jüdischer Tradition, also dem „Hebräer“, steht vor Augen die Szene am alljährlichen großen Versöhnungstag. Der Hohepriester tritt ausnahmsweise hinter den Tempelvorhang ins Allerheiligste, wo die göttlichen Gebotstafeln aufbewahrt sind. Und dann kommt er zum Volk heraus und verkündigt Gottes Friedensschluss und Versöhnung mit dem Volk. Und als Zeichen dafür wird das Blut eines Bockes über die Häupter der Anwesenden versprengt. Soweit das Bild. Was heißt das für uns?

Mit Jesus hört dieser Ritus auf. Weil er unüberbietbar alles getan hat, damit wir versöhnt sind mit dem liebenden Gott. Sein eigenes Blut hat er gegeben, sein Leben als – wie Jesus an anderer Stelle selber sagt, „Lösegeld für viele“. Und das gilt uns. Wir sind erlöst. Erlöst vom Kampf um Gottes Güte. Erlöst vom Krampf religiöser Vorschriften und Riten. Erlöst von unseren eigenen Ansprüchen auf Perfektion.

Das gilt uns und das wirkt in uns, indem wir mit Jesus Christus verbunden sind. Denn das ist ja kein Automatismus, keine einfach umgelegter Schalter und das war’s dann. So laßt uns nun zu ihm hinausgehen vor das Lager und seine Schmach tragen. Mit anderen Worten: stehen wir zu ihm und haben so Gemeinschaft mit ihm und unter uns. Hier gründet sich Gemeinde, ja Kirche! Wir sind die, die zum Gekreuzigten und dann auch zum Auferstandenen stehen! Standpunkt, nicht Moralvorschrift! Tragfähigkeit, nicht Bekehrungseifer! In der Tat tragen wir es mit, dass immer noch Menschen behaupten, wir würden beim Abendmahl ekligerweise auf Fleisch kauen und würden statt an das Leben an einen Gestorbenen glauben. Und dass ein liebender Gott es doch nie zulassen würde, wenn sein Liebstes droht zu sterben…!

Nicht hingeschaut. Nicht begriffen. Nicht berührt worden von der höchsten Liebe des Allmächtigen in dem tiefsten Leid. Am Kreuz von Golgatha wird unser ganzes Leben und noch viel mehr umfasst. Gott ist überall, sogar im Tod. Und Gott ist stärker. Die Liebe und das Leben siegen durch sein Wort und nicht Hass und Tod.

Noch lebt die Welt im Widerspruch. Gerade auch jetzt in Coronazeiten erleben wir es so hautnah wie selten oder noch nie. Wir erleben aber auch Hoffnung und Gewissheit, Gemeinschaft und Besinnung, ob nun christlich motiviert oder nicht. Gott hält uns die Zukunft offen: Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir. Wir sind auf dem Weg und wissen bei ihm unser Ziel. Lassen wir uns von ihm selber stärken durch Glauben und Geist. Amen.

Beitrag von Martin Fiedler