Liebe Leserin, lieber Leser!
Zum Glück liegt der Sonntag Kantate: Singet! im Mai. Denn kaum ein Monat steht so hoch in der Gunst der Menschen wie der Wonnemonat Mai. Der warme Mai läßt nach der kalten Jahreszeit unsere Herzen weiter werden, obwohl sicherlich Regen nötig wäre. Und wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über, zumal es jetzt immer mehr Lockerungen von Corona-Einschränkungen gibt. So kann man nun doch den morgigen Muttertag fröhlich und dankbar verbringen.
Überschwenglich fordert der Psalmbeter des 98. Psalms zum Singen und zum Jubeln auf. „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Jauchzt dem Herrn, alle Welt, singet, rühmet und lobet ihn.“ So heißt es an verschiedenen Stellen von Psalm 98. Anscheinend hat der Psalmbeter Grund zum Jubeln. Und wem zum Jubeln zumute ist, der möchte andere auch anstecken, der möchte andere zum Einstimmen bringen. Freude will sich ausbreiten.
Sicherlich ist in diesen Corona-Tagen manchem eher nach Klagen zumute. Ich denke, viele von uns kennen solche Situationen, in denen alles ganz düster und grau aussieht und hoffnungslos erscheint. Da beklagt jemand den Verlust eines lieben Menschen. Da ist jemand gefangen in seiner Abneigung gegen andere. Da hat jemand Angst, sich mit dem Corona-Virus anzustecken. Wie steht es mit Liedern und Gesängen in solchen Zeiten? Viele Psalmen sind Klagelieder. Schon Menschen in früherer Zeit haben in Verzweiflung und Wut ihre Klagen vor Gott gebracht. Damit haben sie einen ersten Schritt getan, aus Resignation und Isolation herauszufinden. Wo Trauer uns die Sprache verschlägt, hilft solche Klage, langsam wieder einstimmen zu können in die Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens. Deshalb können uns Lieder in Zeiten der Freude als auch in Zeiten des Leides helfen und begleiten. Die Grundmelodie unseres Lebens braucht deshalb nicht mehr traurig zu sein und aus Dissonanzen zu bestehen.
Singen ist Ausdruck der Fülle des Lebens: Ausdruck des Leidens und des Klagens, und auch der Lebensfreude und der Liebe.
Singen hat Menschen immer wieder gestärkt und sie ermutigt, den Glauben und die Hoffnung zu bewahren. Im Singen war und ist Gott uns nahe. Leider ist es den Gottesdienstbesuchern wegen der Ansteckungsgefahr noch verwehrt, lauthals mitzusingen. Aber ein leises Summen, das auch aus vollem Herzen kommt, müsste mit dem nötigen Mindestabstand, möglich sein. Denn Singen verbindet. So bringen jeden Abend Sängerinnen und Sänger ihre Solidarität mit Anderen in dieser Corona-Zeit zum Ausdruck und singen am Fenster oder auf dem Balkon. So können wir voller Freude in den Lobgesang des Psalmbeters einstimmen: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“.
Hermann Meerheimb,
Pfarrer im Pfarrverband Schöppenstedt-Nord, Seelsorgebezirk II: Kirchengemeinde Martin Luther Dettum und Kirchengemeinde Watzum