Begrüßung:
Herzlich willkommen zum Gottesdienst am letzten Sonntag nach Epiphanias.
Wir feiern das Fest der Verklärung.
In den Evangelien wird es so beschrieben:
Jesus wird in überirdisches Licht getaucht, sodass die drei Jünger Petrus, Johannes und Jakobus erkennen: Jesus ist der Sohn Gottes, das Licht der Welt.
Heute vor vier Tagen, am 27. Januar, hat sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 76. Mal gejährt.
Der Wochenspruch aus dem Buch des Propheten Jesaja (60,2b) verheißt uns, dass auch wir in Gottes Licht leben:
Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Das Lied der Morgenstern ist aufgedrungen kann im Gesangbuch unter der Nummer 69 gelesen oder für sich gesungen werden.
Gebet:
Lichtgewordener Gott, in deiner Nähe möchten wir bleiben.
Hinter uns lassen wollen wir alles, was uns ängstigt und sorgt, was wir nicht verstehen und uns friedlos macht.
Wir bitten dich:
Nimm uns mit auf dem Weg Jesu.
Sprich zu uns durch dein Wort.
Lass uns hören, was du sagst.
Lass uns dein Wort verstehen, damit wir uns deinem Willen öffnen.
Deinen Namen rühmen wir jetzt und in Ewigkeit.
Amen.
Das Lied Morgenglanz der Ewigkeit kann im Gesangbuch unter der Nummer 450 gelesen oder für sich gesungen werden.
Hiernach können Sie den Psalm 97 im Gesangbuch unter der Nummer 738 lesen.
Evangelium
Jesus wird seinen Jüngern über die Zeit, die sie mit ihm verbringen, vertraut. Dennoch bleibt er auch der Sohn Gottes, eine geheimnisvolle Erfahrung.
Davon erzählt der Evangelist Matthäus.
Matthäus 17,1-9 kann in der Bibel gelesen werden.
Danach können Sie das Glaubensbekenntnis sprechen.
Mit dem Lied "Wie schön leuchtet der Morgenstern" im Gesangbuch Nummer 70 stimmen Sie sich auf die Predigt ein.
Predigt
2. PETRUS 1,16 - 21
1
„Hast du ein Taschentuch?“,
fragt die Mutter jeden Morgen am Haustor, bevor die Tochter auf die Straße geht.
Das Mädchen hat keines.
Das Mädchen hat jeden Morgen keines, weil es jeden Morgen auf die Frage der Mutter wartet:
„Hast du ein Taschentuch?“
Das Mädchen hat einen Namen.
Herta Müller.
Vor 11 Jahren hat sie den Literaturnobelpreis erhalten. In ihrer Dankesrede teilt die Schriftstellerin die Erinnerungen an ihre Kindheit auf berührende Weise. „Hast du ein Taschentuch?“
Das Taschentuch ist der Beweis, dass die Mutter die kleine Herta am Morgen behütet.
Die Frage:
„Hast du ein Taschentuch?“,
ist eine indirekte Zärtlichkeit.
Die Liebe hat sich als Frage verkleidet.
Diese Frage aus der Kindheit trägt Herta Müller durch ihr ganzes Leben wie einen kostbaren Schatz.
Den kann sie heben, als sie als junge Frau in einer Maschinenbau-Fabrik als Übersetzerin arbeitet.
Der Geheimdienst will Herta Müller anwerben, aber sie weigert sich.
Daraufhin wird sie verleumdet.
Ihr Büro darf sie nicht mehr betreten.
Von der Arbeit wegbleiben, darf sie auch nicht.
Wofür dieses Stück Tuch nicht alles gut ist?!
Einsetzbar bei Schnupfen, Nasenbluten,
bei Verletzungen an Hand, Ellbogen oder Knie,
beim Weinen oder zum Draufbeißen,
um das Weinen zu unterdrücken.
Kurz bevor Herta Müller aus Rumänien emigriert, wird ihre Mutter frühmorgens vom Dorfpolizisten abgeholt. Sie ist schon am Tor, als ihr einfällt:
Hast du ein Taschentuch?
Sie hat keines.
Die Mutter geht noch mal ins Haus zurück und nimmt sich ein Taschentuch.
Der Polizist auf der Wache tobt und sperrt sie den ganzen langen Tag in seinem Büro ein.
Die ersten Stunden weint die Mutter nur.
Dann geht sie auf und ab und beginnt, mit dem tränendurchnässten Taschentuch den Staub von den Möbeln zu wischen.
Später nimmt sie den Wassereimer aus der Ecke und das Handtuch vom Nagel an der Wand und wischt den Boden.
Die Tochter ist über ihre Mutter entsetzt.
Wie konnte sie ihrem Peiniger das Büro putzen?
Sie habe sich Arbeit gesucht, dass die Zeit vergeht, und das Büro war so dreckig, antwortet die Mutter ungeniert.
Gut, dass sie sich eins von den großen Männertaschentüchern mitgenommen hatte.
Die wenigen Quadratzentimeter eines Taschentuchs bedeuten Herta Müller die Erinnerung ans Paradies.
Die Erfahrungen, die in dieses Stück Stoff eingewebt sind, hat sie tief verinnerlicht.
Es ist Symbol für die Würde, die ihr niemand nehmen kann.
Es gibt ihr Halt, um zu bestehen.
Ist ihr Mut, um weiterzugehen.
Das Taschentuch ist ihr Heimat durch alle Zeiten, so hell oder dunkel die sein mögen.
2
Was Herta Müller mit ihrem Taschentuch verbindet, ist auch das Thema eines Schriftstellers aus der Zeit der noch jungen Christenheit.
Was ist mir Halt?
Was gibt mir Mut?
Was trägt mich in meinem Innern durch mein Leben vom Kindbett bis zur Bahre?
Der Name des Schriftstellers ist unbekannt.
Aber er schreibt unter dem Namen eines Mannes, der Augen und Ohrenzeuge Jesu war:
Petrus.
Der unbekannte Autor erinnert in einem Brief an eine der Sternstunden des Apostels Petrus:
Predigttext verlesen: 2. Petrus 1,1621
Der Schriftsteller „Petrus“ erinnert sich, als wenn er selbst dabei gewesen wäre.
Jesus wird vor den Augen seiner Jünger verwandelt. Der Jünger Petrus sieht Jesu Angesicht leuchten wie die Sonne und dessen Kleider weiß werden wie das Licht.
Petrus spürt:
Solche Verwandlung geschieht nur, wenn Gott selbst erscheint;
solche Verklärung geschieht nur, wenn Gott selbst mit seiner Herrlichkeit, mit seinem Glanz und seiner Schönheit Jesus erfüllt.
Diesen Blick auf Gottes Herrlichkeit will sich Petrus bewahren und Hütten bauen an diesem besonderen Ort.
Doch eine lichte Wolke reißt die Jünger aus allen Fantasien.
Eine Stimme spricht:
„Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören.“
Auf einmal wird die Verklärung Jesu zur Gottes Erklärung:
Wer Gott kennenlernen und erfahren will, schaue auf diesen einen, auf Christus.
In seinem Angesicht ist Gott in Sicht, in seinen Worten hörbar, in seinen Taten spürbar.
Wo immer Menschen Gott suchen und spüren wollen – im Angesicht Jesu Christi ist er da.
Das haut die Jünger um.
Wie tot liegen sie vor Jesus.
Doch Jesus rührt die Erstarrten an und spricht zu ihnen:
„Steht auf und fürchtet euch nicht.“
Was für eine großartige Zusage!
Welch einmalige Berührung, Zuwendung, Fürsorge! Welch Trost im Leben und Sterben!
Die Herrlichkeit Gottes berührt.
Und bewegt!
3
Das ist die Hoffnung und das Vermächtnis des Schriftstellers Petrus.
Er will sich nicht bannen lassen von den vielen Stimmen, die eine andere Sicht der Dinge auf Gott und die Welt verkünden.
Er will nicht in Angst und Furcht zittern, sondern aufrecht, frohgemut, selbstbewusst zu dem stehen, was er glaubt.
Und das ist nicht irgendeine erdachte theologische Konstruktion, sondern wahrhaftig geschehen.
Das ist erinnerte Erfahrung.
Der Schriftsteller Petrus glaubt:
So wie die Jünger damals auf dem Berg, so sollen sich die Menschen an allen Orten von Jesus ansprechen lassen, sich aufrichten und sich ermutigen lassen zum Aufstehen und Losgehen.
Ihm ist auch klar:
So wie die Jünger wieder vom Berg in die Niederungen des Lebens herabsteigen müssen, so wird jedes Menschenleben ein ständiges Pendeln zwischen Highlights und Brachzeiten sein.
Und es ist die Frage, wie ein Mensch die dunklen Zeiten durchlebt.
Eine Hütte auf einem Berg zu bauen, macht wenig Sinn.
Vielmehr baue einer eine Hütte in seinem Herzen.
Er achte auf das Licht, das in diese Welt gekommen ist in dem Kind von Bethlehem.
Er bewahre das Licht des Mensch gewordenen Gottes, dem der Gang nach Golgatha nicht erspart geblieben ist.
Er achte auf das Licht, das auch im Grab nicht erloschen ist.
In diese Hütte des Herzens soll das Licht von Gottes Herrlichkeit einfallen.
In dieser Hütte soll der lichte Tag anbrechen, den der Morgenstern verheißt.
4
Apropos Morgenstern:
Christian Morgenstern, vor 100 Jahren gestorben, hat erlebt und bedauert, dass die Menschen Gott vergessen.
Er ist überzeugt, dass jeder Mensch Gott als sein Licht braucht. Der Dichter schreibt:
So wie ein Mensch, am trüben Tag, die Sonne vergisst, – sie aber strahlt und leuchtet unaufhörlich, –
so mag man Dein an trübem Tag vergessen,
um wiederum und immer wiederum erschüttert,
ja geblendet zu empfinden, wie unerschöpflich fort und fort und fort dein Sonnengeist uns dunklen Wandrern strahlt.
Ich finde den Schriftsteller Petrus in Christian Morgensterns Worten gut getroffen.
Es ist ja nicht nur diese Gottvergessenheit, die Morgenstern zum Mahnen führt.
Es ist daneben auch seine Glaubensgewissheit, dass die Wahrheit, die über meinem Leben steht, nicht von mir gemacht werden kann.
So wie ich auch die Sonne nicht scheinen machen kann.
Diese Strahlen sind mir geschenkt.
5
An diese Wahrheit meines Lebens erinnert „Petrus“. „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!“,
spricht die Stimme Gottes aus den Wolken über den verklärten Jesus aus.
Es sind die gleichen Worte Gottes, wie damals bei Jesu Taufe am Jordan:
In dieser Tradition steht jeder Christenmensch, der im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft wird.
Über ihm ist Gottes Wohlgefallen ausgesprochen:
„Dies ist mein geliebtes Kind!“
Diese Wahrheit zu verinnerlichen, verleiht meinem Leben seine Würde.
Aus dieser Wahrheit heraus zu leben, ist die vornehme Aufgabe eines Christenmenschen.
Von dieser Wahrheit weiterzuerzählen, bedeutet, das Mandat des prophetischen Worts wahrzunehmen. Keine Vorhersage, sondern Zeitansage.
Gegen das Vergessen der Herrlichkeit Gottes, die aufgegangen ist über den Menschenkindern.
Gegen alle Mächte und Gewalten, die das Licht Gottes in dieser Welt und in meinem Herzen verdunkeln wollen.
Dieses Licht kann in mir und in der kleinsten Hütte leuchten, wenn ich mich in die Geschichten der Evangelien hineinlese und höre.
Wenn wir uns inmitten der Gemeinde unseren Glauben erzählen und jeder so seinen eigenen Glauben vergewissern und stärken kann.
6
Das Vermächtnis des „Petrus“ beinhaltet die Frage: Trägst du diese Wahrheit in dir und trägt sie weiter? Ist das Licht des Morgensterns in dir?
Mit gleichem Ziel fragt Herta Müller:
Wenn du alles zu verlieren scheinst, was dir lieb und teuer ist, wenn es dunkel in dir und um dich herum wird:
Was erinnert dich an Christus, dein Licht?
Hast du dann ein Taschentuch?
Man braucht den Namen Gottes nicht zu nennen und nicht zu hören, um zu spüren, dass in den wenigen Quadratzentimetern eines Taschentuchs das ganze Licht und die ganze Wahrheit und der ganze Friede der Weihnacht beschlossen sind.
Das bisschen Tuch, das Licht von Weihnachten bedeuten mir mein Leben.
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Mein Leben bekommt Bedeutung.
Würde.
Weil über diesem Leben die Herrlichkeit Gottes scheint. Das lässt mich getrost und unverzagt meinen Weg gehen.
Darum will ich achtgeben auf das Licht, das es mir selbst an einem dunklen Ort scheine.
Darum will ich achtgeben, dass Christus, der Morgenstern, aufgehe in meinem Herzen.
Darum will ich mich jeden Morgen fragen:
Hast du ein Taschentuch?
Amen
Wir lesen oder singen das Lied "Gott liebt diese Welt" im Gesangbuch Nummer 409
Fürbitte
Lichtgewordener Gott, wir bitten dich:
Erleuchte alle Menschen, die in der Finsternis sitzen, dass ihre Hoffnung nicht erlischt.
Erleuchte die Alten und jene, die sich alt fühlen, dass sie nicht darüber verzagen, was sie in ihrem Leben nicht mehr leisten oder erleben können.
Erleuchte die Schwermütigen, dass sie diese bunte Welt nicht nur in Grautönen sehen.
Erleuchte die Kranken, dass sie sich bei dir geborgen wissen.
Erleuchte die Sterbenden, dass sie in Frieden und getrost auf dein Licht zugehen.
Erleuchte alle, deren Leben hier auf Erden vollendet ist.
Lass sie bei dir schauen, was sie auf Erden geglaubt haben.
Erleuchte die Traurigen, dass Worte und Gesten des Trostes ihre Herzen erreichen.
Erleuchte alle Glücklichen, dass sie von dem Licht weitergeben, dass sie erfüllt.
Erleuchte uns selbst, dass wir bereit sind, dich in uns groß werden zu lassen, damit es in unserem Leben und in dieser Welt hell wird.
Gott, du bist das Licht der Welt.
In deinem Lichte sehen wir das Licht, das wir und diese Welt zum Leben brauchen.
Amen
Mit dem Vaterunser können Sie den Gottesdienst beenden
Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen